Chancengleichheit?

News

Ein Begriff, der immer wieder zur Sprache kommt, ob in Zusammenhang mit Geschlechtern, Herkünften, Weltanschauungen,… Die Liste ist lang. Zudem wird Gleichheit so subjektiv und unterschiedlich wahrgenommen wie Farben oder Emotionen.
Da es so viele Facetten gibt, werden wir in diesem Artikel erst einmal die Chancengleichheit von Frauen in der Berufswelt betrachten.

Laut der Studie „Top Karrierechancen für Frauen“ (Mai 2020) ist Lidl nun schon zum 2. Jahr in Folge das Top Unternehmen, wenn es um Chancengleichheit für Frauen geht. Insgesamt wurden 5.000 Unternehmen getestet, davon dürfen sich 509 über ihr ausgezeichnetes Engagement freuen. Unter diesen befinden sich unter anderem Lidl, Zalando und Commerzbank.

Top Karrierechancen für Frauen. Wo?
Das Institut für Management- und Wirtschaftsforschung hat im Auftrag von Focus Money die 5.000 größten deutschen Unternehmen auf ihr Engagement geprüft.
Die Studie basierte sowohl auf Daten, die mittels „Social Listening“ (Durchsuchung von Websites und sozialen Netzwerken) gesammelt wurden, als auch auf Fragebögen, die von den Unternehmen ausgefüllt wurden. Abgefragt wurde dabei der Anteil der Frauen in Führungspositionen oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei reichten für eine Auszeichnung bereits 60 von 100 Punkten und 20 Online-Nennungen.
Zalando zum Beispiel hat das Ziel, bis 2023 ein „ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter“ auf den obersten Führungsebenen, inklusive Vorstand und Aufsichtsrat zu erreichen, und landet dadurch auf Platz 1 der Onlinehändler. Darüber, dass bis 2019 in ihren Geschäftsberichten betont wurde, bis 2022 keine Frauen im Vorstand aufnehmen zu wollen und jetzt nur aus Imagegründen ein neues Ziel gesteckt wurde, wird nicht mehr gesprochen. Andererseits stellte sich die Frage, wie schlimm es in allen anderen Betrieben läuft, wenn die Formulierung eines Ziels schon das „Beste“ ist.
Anders läuft es bei Lidl mit 55 % Frauenanteil in Führungspositionen und der Commerzbank mit 30 %. Es wird auf gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit und gleiche Aufstiegschancen bei gleichen Qualifikationen gesetzt. Also weit mehr als nur ein bloßes Ziel formuliert.

Aber wozu das Ganze?
Neben ethischen und gesetzlichen Gründen gibt es beispielsweise auch Studien, die belegen, dass Teams, in denen Frauen mitarbeiten, effektiver sind als reine Männerteams. Das Peterson Institute for International Economics hat 21.980 Unternehmen untersucht und festgestellt, dass ein Unternehmen mit 30 % Frauenanteil in der obersten Management Ebene über 15 % Reingewinn mehr erwirtschaftet als ein Unternehmen ohne Frauen. Zudem bieten vielfältige Teams weitere Vorteile, die sich letztendlich insgesamt positiv auf das Unternehmen auswirken. Aber solange sich die Mentalität der derzeitigen Führungs- und Vorstandsmitglieder nicht ändert, wird eine Frau gar nicht in Betracht gezogen.
Natürlich kann bei Stellenausschreibungen nicht einfach irgendeine Frau für die Frauenquote eingesetzt werden. Das wäre weder fair, noch würde es Chancengleichheit bringen. Da es heutzutage allerdings weder an Interesse, noch an der Qualifikation von Frauen mangelt, wären anonymisierte Bewerbungen ein möglicher Weg. Bewerber würden dabei weder anhand von Geschlecht, Herkunft oder sonstigen Merkmalen abseits ihrer Eignung bevorzugt oder benachteiligt. Da dies nur ein möglicher Lösungsansatz ist, drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wäre dadurch nicht automatisch die ganze Debatte gelöst?

Die Gleichberechtigung der Frau…
…gibt es sie denn wirklich? Seit 100 Jahren dürfen Frauen wählen, aber was hat sich seit dem denn wirklich geändert? Es wurde gekämpft für Freiheit und Selbstbestimmung. Und dennoch, wo sind wir heute? Von 5.000 Unternehmen sind nur 509 nennenswert. Die Gewinner glänzen durch gleiche Bezahlung, Cross-Mentoring-Programme oder weibliche Führungskräfte. Es geht also! Und noch nicht mal schlecht.
Auch die neue Gleichstellungsstrategie, die Anfang Juli vom Kabinett der Bundesregierung beschlossen wurde, scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Obwohl im Grundgesetz die tatsächliche Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter bereits verankert ist, war es ein jahrzehntelanger Weg, der nun für die gesamte Bundesregierung zur Aufgabe wird. Mehr Frauen in Führungspositionen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gerechter zu verteilen, gehören zu den Zielen der Strategie.
Kritik gibt es dennoch z. B. vom Frauenrat, denn konkrete Ziele über die nächste Wahl hinaus werden nicht genannt.

Warum ist das Thema also noch immer so schwierig? Warum ist Chancengleichheit noch so undefinierbar? Dabei ist der Unterschied zwischen den (binären) Geschlechtern ja gerade mal die Spitze des Eisbergs. Warum wird nun also in Studien geprahlt, wie fortschrittlich und zukunftsorientiert Unternehmen sind? (Frauen-) Empowerment ist zwar eine wunderbare Werbung fürs Image, aber wenn es an die Umsetzung geht, wird zu häufig gekniffen.

 

Quellen:
Süddeutsche.de
W&V.de
Presseportal.de
Faz.net